In manchen Projekten herrscht eine explosive Atmosphäre. Wenn Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten, stößt ihre Sichtweise frontal aufeinander. Stammen die Spezialist:innen noch dazu aus verschiedenen Unternehmensbereichen, bringen sie unterschiedliche Arbeitsweisen mit und bleiben sie sich persönlich fremd – dann entzündet sich schnell ein Schwelbrand, der zum Großfeuer auswachsen kann. Darunter leidet erwiesenermaßen das gesamte Projekt. Konflikte führen fast immer zu Terminverzug und Budgetüberschreitungen, wie Expert:innen warnen. Schlimmstenfalls zerfällt das Team, und das Projekt wird um Wochen zurückgeworfen.
Prävention statt später Eingriff
Der Grundgedanke: Klarheit und ein gemeinsames Bild von Zielen und Aufgaben beugen Missverständnissen vor, helfen Vertrauen aufzubauen und beugen Konflikten vor. Wichtiger Baustein dafür ist die Selbstreflexion.
Was sind meine persönlichen Interessen, welche Motive treiben mich an, welche Bedürfnisse habe ich? Nur, wer hier für sich selbst Antworten hat, gewinnt Sicherheit und Souveränität im Umgang mit anderen.
Eine Rollenklärung ist einfach aber nicht trivial. Im Hinblick auf eine gemeinsame Zusammenarbeit werden gegenseitige Erwartungen thematisiert und verhandelt. Wie soll die Kooperation gestaltet werden, um das gemeinsame Ziel zu erreichen? Hilfreich kann es sein, allgemeingültige Stellenbeschreibungen als Grundlage solcher Gespräche zu nutzen. „Regeln“ der Zusammenarbeit sollten festgehalten werden.
Letzter Baustein im Rahmen der Prävention ist schließlich die Art und Weise der Kommunikation. Wer Kommunikationsregeln aus Konzepten wie z.B. der TZI (Themenzentrierte Interaktion) oder der gewaltfreien Kommunikation aktiv nutzt, kann besser bei sich bleiben und minimiert das Risiko, verbal übergriffig zu werden. Wer erklärt, warum er fragt, macht sein Handeln nachvollziehbarer. Wer bittet statt zu fordern, lässt Raum für Entscheidungen. Ein solcher Umgang miteinander erfordert Umsicht und Bedacht. Er ist anstrengend. Konflikte sind es aber auch, nur deutlich unangenehmer.
Brücken bauen
Bei aller Prophylaxe ist kein Projekt gänzlich vor Konflikten gefeit. Fachleute kennen die typischen Warnzeichen: Ausbleibende Kommunikation zwischen Teamkollegen, Diskussionen in Endlosschleifen, permanenter Terminverzug oder auch ungewöhnlich schnell erzielte Einigkeit.
Bei solchen Symptomen sollte man hellhörig werden. Betrachten Sie dabei vor allem die Beziehungsebene der Mitarbeiter*innen. Denn Ursache für Konflikte zwischen Teamkolleg:innen sind selten Differenzen bei Fachfragen. Meistens geht es um Persönliches. Die gute Nachricht: Wird der Konflikt angesprochen, lässt sich der Riss im Team zumeist wieder kitten - je früher, desto besser.
Hilfreich für das Brücken bauen ist es, nicht den anderen zum Problem zu erklären, sondern das gemeinsame Thema in den Mittelpunkt zu stellen.
In der Gesprächsführung selbst kommt es dann darauf an, Position zu verlassen und nach Interessen zu fragen. Während Positionen nicht verhandelbar sind, können Interessen auf unterschiedliche Art und Weise zufriedengestellt werden. Das Harvard-Konzept von Fisher, Ury, Patton gibt hier gute Hilfestellungen.
Hilfe holen
Ab einem gewissen Grad der Eskalation sind die Beteiligten nicht mehr in der Lage, das Problem ohne Hilfe von außen zu behandeln. Dann ist das Einschalten eines neutralen Dritten als Konfliktvermittler*in sinnvoll. Hier helfen externe Vermittler*innen. Extern heißt hier: mindestens jenseits des betroffenen Arbeitsbereichs, besser noch jenseits der Organisation, um jedem Verdacht der Parteinahme vorzubeugen – solange die Beteiligten noch selber nach Lösungen suchen können.
Wichtig ist, Entscheidungen zu treffen, die den Scherbenhaufen verlassen und einen Neuanfang ermöglichen. Für alle Beteiligten gelten hier die drei Entscheidungsebenen, die bisweilen zynisch klingen, aber auch die Freiheit der Entscheidung und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen:
Verbindung durch Trennung
Die Wege der Konfliktarbeit zeigen, wie paradox der Umgang mit Konflikten ist. Konflikte trennen und verbinden zugleich. Festgebissen am selben Thema verlieren die Beteiligten jeglichen Kontakt zueinander. Verbindung wird hergestellt, wenn auf Trennendes geschaut wird.
Tipps für die „Konfliktvorsorge“ aus der Praxis:
- Gemeinsam Spielregeln für die Zusammenarbeit vereinbaren. Darin werden auch Regeln für den Umgang mit Konflikten festgelegt.
- Vorhaben gemeinsam mit dem Team planen. So werden mögliche Interessenkonflikte früh deutlich. Das Team kann sich einigen, bevor die Konflikte gefährlich werden.
- Auf Interessengruppen außerhalb des Projekts (etwa Anwohner*innen, Verbände, Behörden) zugehen. Erkunden Sie ihre Interessen und beziehen sie ins Projekt ein.
- Das Team zur Selbstreflexion anhalten: Selbstreflexion ist die Fähigkeit zu handeln und sich dabei selbst zu beobachten. Ein interner „Beschwerdebriefkasten“ oder ein regelmäßig tagender runder Tisch für (externe) Interessengruppen sind bewährte Mittel für Selbstreflexion.
- Eine gute Feedback-Kultur entwickeln. Dies hilft ebenfalls Störungen zu vermeiden. Lob und Anerkennung, aber auch konstruktive Kritik stärken die Kommunikation und das Vertrauen untereinander.
- Das eigene Verhandlungsgeschick und die eigene Durchsetzungskompetenz trainieren. Hier erlebt man, wie die eigene Führung auf andere wirkt und wie durch das eigene Verhalten Konflikte vermieden werden.