Leitfaden für Agiles Prozessmanagement - Teil 2/2

1. Oktober 2021

Ein Wegweiser durch klassisch und agil.
Was sind die betrieblichen Voraussetzungen für Agiles Prozessmanagement und welche agilen Methoden und Techniken passen zum jeweiligen Kontext? Das, und einen finalen 6-Punkte-Plan, um die häufigsten Fehler zu vermeiden, erörtern wir im Teil 2 dieses Beitrags. Jetzt geht es ans Eingemachte … oder besser gesagt: ans Einmachen!

Von Egon Hren

Ob es für Sie Sinn macht, den Teil 1 dieses Beitrags (nochmal) nachzulesen, hängt davon ab, wie weit Sie mit dem Thema „Agilität“ vertraut sind. Teil 1 beschreibt die Ursachen für die Notwendigkeit von Agilität (Stichwort „VUCA-Welt“) und beleuchtet die durchaus spannende Entstehung dieses speziellen Mindsets. Darüber hinaus wird der Unterschied zwischen klassischem und agilem Prozessmanagement beleuchtet, um nicht zuletzt geeignete Entscheidungsgrundlagen (Stichwort „Cynefin-Modell“) für die Wahl zwischen diesen beiden Welten zu geben. Das entspricht den ersten drei Punkten aus dem nachfolgenden Inhaltsverzeichnis – während wir in diesem Beitrag die Punkte 4 bis 6 behandeln.

Leitfaden Teil 1:

1) Ursachen für die Notwendigkeit von Agilität – die neue „VUCA“-Welt

2) Definition und Unterscheidung von klassischem und agilem Prozessmanagement

3) Entscheidungsgrundlagen für die Wahl zwischen klassisch oder agil

Hier geht es weiter zum 1. Teil...

Leitfaden Teil 2:

4) Betriebliche Voraussetzungen für Agiles Prozessmanagement

5) Agile Arbeitsweise, Methoden und Techniken

6) 6 Säulen im agilen Prozessmanagement (um Fehler zu vermeiden)

Das Thema „Agilität“ fasziniert mich bereits seit über 20 Jahren, quer durch unterschiedliche Unternehmensbereiche. Und ich finde es eine großartige Sache, die vielen Organisationen helfen kann. Man muss allerdings genau wissen, wann, wo und vor allem WIE sie eingesetzt wird, um auch den gewünschten Nutzen zu stiften. Und da sind wir auch schon mitten im zweiten Teil unseres Leitfadens für Agiles Prozessmanagement:

4. Betriebliche Voraussetzungen für Agiles Prozessmanagement

4.1 Berücksichtigung der Unternehmenskultur

Agilität braucht Transparenz, den Mut zur Veränderung und Führungskräfte, die das unterstützen. Agilität braucht selbstorganisierte und weitgehend eigenverantwortliche Teams und eine Fehlerkultur, die dazu passt.

Wenn man diese Unternehmenskultur aktuell nicht hat, muss man daran arbeiten, diese schrittweise zu erreichen – wohlwissend, dass sich diese nicht von heute auf morgen ändert und das oft ein sehr langwieriger Prozess ist.

 

4.2 Respekt und Mut als wichtige Voraussetzung

Es braucht Respekt vor anderen Personen und anderen Meinungen, denn der Begriff „Augenhöhe“ gehört untrennbar zur Agilität. Wenn wir uns um Prozesse kümmern, kümmern wir uns um Menschen und reden mit Menschen ­– und da geht es um offene und ehrliche Aussagen sowie um Feedback, was gut ist und was (noch) nicht so gut läuft. Es braucht Mut, zu akzeptieren, dass die Menschen, die mitten in diesen Prozessen arbeiten, Kritik äußern dürfen und das auch tun.

 

4.3 Regelmäßige Feedbackschleifen

Die Prozesse werden nicht einmalig erhoben und gemacht, sondern als fortwährende Schleife, als kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) immer wieder besprochen, neu beleuchtet und verifiziert. Die Menschen, die damit arbeiten, sollen ermutigt werden, kontinuierlich und jederzeit Dinge zu melden bzw. aufzuzeigen, wenn etwas nicht gut läuft. Man muss die Menschen auffordern und animieren, Dinge besser machen zu wollen – also nicht nur zu dürfen. Das ist noch mal ein großer Unterschied!

 

4.4 Agiles Mindset bei den Führungskräften

Es lohnt sich, zwischen Management und Führung zu unterscheiden – da hilft ein Blick auf die englischen Begriffe „Leadership“ und „Management“. Während das Management dafür sorgt, eine Organisation hinsichtlich der Aufbauorganisation zu strukturieren und in wirtschaftlicher Hinsicht zu steuern, ist es das Ziel beim Leadership, sich insbesondere um die Abläufe und die betroffenen Menschen zu kümmern, Organisationen kontinuierlich zu verändern und dabei andere mitzureißen – im positiven Sinn.

Manager:innen planen und budgetieren, organisieren und besetzen Stellen, schaffen die Basis für genügend Ressourcen, übernehmen das Controlling, treffen wirtschaftliche Entscheidungen … kurzum sie sorgen für Struktur und wirtschaftliche Stabilität. Das Leadership hingegen gibt die Richtung vor und richtet die Mitarbeiter*innen danach aus, motiviert und inspiriert … es erzeugt Wandel und Bewegung.

Exkurs: Führungskräfte-Arbeit im Prozessmanagement-Kontext

Aus meiner Erfahrung als Berater in Zusammenhang mit agilem Mindset ist es mit Abstand das Schwierigste, Führungskräfte dazu zu bewegen, dass sie die Verantwortung teilweise ihren Teams übertragen und nicht bei jeder einzelnen Entscheidung dabei sein zu wollen und/oder müssen. Da braucht es Zurückzuhaltung und Vertrauen in die Menschen, dass sie das schaffen.

Der Fokus liegt darauf, eine Vision und ein Ziel für den jeweiligen Bereich zu definieren: Was streben wir an? Wie können wir uns verbessern? Wie können wir die Kund:innen besser ansprechen und die Service-Qualität erhöhen? Was ist die Vision und die dahinterliegende Strategie … und wie kommuniziere ich diese intern?

Transparenz zu schaffen ist in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Führungsaufgabe. Daneben ist die Beteiligung der Mitarbeiter*innen evident – Stichwort: Was ist euch wichtig? – und ein großer Erfolgsfaktor liegt darin, die richtigen Mitarbeiter*innen ins Boot zu holen und diese selbstständig arbeiten, abstimmen und mitdiskutieren zu lassen.

Meiner Erfahrung nach benötigt es in einem agilen Umfeld Führungskräfte, die ...

  • es verstehen, operative Aufgaben und Entscheidungen an ihre Teams abzugeben,
  • es verstehen, die Teams zu fördern,
  • Transparenz schaffen zu wollen und
  • kontinuierlich an Verbesserungen interessiert sind.

Darüber hinaus behält die Führungskraft gleichzeitig die wirtschaftlichen Aspekte aus Managementsicht im Auge und schafft die betrieblichen Rahmenbedingungen um das Team zielorientiert arbeiten zu lassen.

4.5 Situative Beurteilung der Sachlage und der Menschen

Aus meiner Erfahrung ist agiles Prozessmanagement – entgegen landläufiger Meinung – kein Generationen-Thema, sondern allein eine Frage von Mindset und Unternehmenskultur. Es geht um eine situative Betrachtung und Bewertung der jeweiligen Sachlage – und abhängig davon eine Entscheidung für die klassische oder die agile Variante.

Und genau so muss eine Führungskraft auf die unterschiedlichen Menschen situativ eingehen, um diese auf die eine oder andere Variante einzustimmen und im besten Fall zu begeistern. Es ist nicht jede Situation und nicht jeder Mensch gleich! Und manche Situationen (wie zum Beispiel einer Krise) erfordern Management mit raschen Entscheidungen. Aber in den meisten Fällen ist es nicht schwarz oder weiß, das eine oder das andere – vielmehr führt oft ein Mix aus beiden Welten zum bestmöglichen Ergebnis.

Wer Näheres zur Gretchenfrage „Klassisches oder Agiles Prozessmanagement“ wissen möchte, kann dazu im Teil 1 dieses Beitrags unter Kapitel 2 nachlesen.

 

5. Agile Arbeitsweise, Methoden und Techniken

Um agile Arbeitsweisen besser beschreiben und klarer von der klassischen Variante abgrenzen zu können, sei an dieser Stelle kurz nochmal in Erinnerung gerufen: Es geht beim Klassischen Prozessmanagement darum, dass die zuständigen Personen in ihren jeweiligen Abteilungen Prozess um Prozess abwickeln – nach dem im Teil 1/Kapitel 2 beschriebenen, linearen Schema: von der Prozess-Erhebung bis zu den Überprüfungsschleifen.

Die markten Unterschiede agiler Arbeitsweisen im Prozessmanagement lassen sich in folgenden Punkten erkennen:

 

5.1 Interdisziplinäres Prozessteam

Man versucht grundsätzlich im agilen Arbeiten, das Team interdisziplinär aufzustellen. Es gibt für bestimmte Prozessgruppen ein Team von Menschen, die sich dieser Prozessgruppe verschreiben – mit einer entsprechenden Strategie und Zielsetzungen, die auch auf Kennzahlen basieren können.

 

5.2 Verwendung agiler Methoden und Praktiken

Methoden, die ein agiles Prozessteam oft von der klassischen Prozessmanagementwelt unterscheidet:

  • Personas --> Erarbeitung von beschriebenen, fiktiven Personen/Kund*innen/Rollen, die mit unseren Prozessen arbeiten. Man versetzt sich in diese Rollen und deren Blickwinkel und versucht, den entsprechenden Prozess bestmöglich aus Persona-Sicht auszurichten.
  • Story Boards --> Dienen zum Visualisieren von Prozessen, zum „Begreifbar“ machen von Abläufen und bieten gleichzeitig eine Synergie mit dem Mindestmaß an Dokumentation. Das Story Board kann auf einem Blatt Papier, in einer Excel-Tabelle, digitalen Boards oder auf einer Metaplanwand mit Karten aufbereitet werden.
  • User Stories --> Kurze, simple Beschreibungen der Funktion(en) eines Produktes aus Sicht eines Nutzers – um Anforderungen an Prozesse zu ermitteln und zu beschreiben. Es geht weniger um die akribische Beschreibung von Funktionen, als den Austausch im Prozessteam, der durch die User Stories entsteht – um die unterschiedlichen Rollen und insbesondere den Nutzen zu verfolgen.
  • Value Stream („Wertstrom“) --> Der Aspekt des Nutzens steht im Zentrum des agilen Prozessmanagements: Es wird nichts gemacht, was in Prozessen keinen Nutzen erzeugt – man orientiert sich am Value Stream, um möglichst viel Nutzen & Wert zu erzeugen.

5.3 Design Thinking

Ein sehr guter Ansatz, um Prozesse zu agilisieren und neu zu gestalten – mit dem  Ziel, Lösungen zu finden, die aus Anwendersicht in Bezug auf Nutzen, Umsetzbarkeit und Marktfähigkeit  überzeugend sind. Design Thinking wird auf die Bedürfnisse des Kunden / der Kundin ausgerichtet: Wichtig ist, dass dieser sich anhand des Prototyps (siehe „Schritte“ unten) die Lösung seines Problems vorstellen kann.

Design Thinking basiert auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten. Sie entwickeln gemeinsam eine Fragestellung, berücksichtigen die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen und entwickeln dann Konzepte, die mehrfach geprüft werden.

Das Verfahren orientiert sich an der Arbeit von Designern, die als eine Kombination aus mehreren Schritten verstanden wird:

  • Verstehen von Prozessen
  • Beobachten
  • Eigene Sichtweise / eigenen Standpunkt definieren
  • Neue Ideen entwickeln / Brainstorming und anschließende Strukturierung der Resultate nach Prioritäten – unter den Gesichtspunkten Effizienz, Umsetzbarkeit oder Wirtschaftlichkeit
  • Prototypen entwickeln – zu Anschauungszwecken; um Prozesse durchzuspielen und spürbar zu machen mithilfe verschiedenster Techniken: von Wireframes, Post Its, Rollenspiele, Storyboards bis zu Modellen
  • Testen des Erarbeiteten – Feedback! Flexibilität und Offenheit für neue Anregungen. Dann kann es in die nächste Schleife gehen.

5.4 Zwei populäre Vorgehensmodelle

Das interdisziplinäre Prozessteam kann sich in der Zusammenarbeit dabei an den folgenden (kurz dargestellten) Vorgehensmodelle bedienen:

Scrum

Das sehr beliebte und häufig verwendete Vorgehensmodell bzw. Framework ist gut adaptierbar und anpassungsfähig: In einem Vorgehen nach Scrum zählt die enge und selbstorganisierte Zusammenarbeit eines interdisziplinären Prozessteams, das iterativ (in Zeitabschnitten von meist 2–3 Wochen) und inkrementell (in Entwicklungs-Stufen) vorgeht.

Einen klassischen Prozessmanager gibt es in Scrum nicht. Die Rollenverteilung sieht wie folgt aus:

  • Process Owner (original: Product Owner) – vertritt Kundeninteressen und wirtschaftlichen Erfolg und bringt Anforderungskatalog mit Prioritätenliste oder Kundenwünsche ein
  • Scrum Master – kümmert sich um Koordination, Planung und Durchführung des Scrum und achtet dabei auf die Einhaltung der gemeinsam definierten Spielregeln
  • Process Team (original: Development Team – eine Gruppe, die sich selbst organisiert, um die Anforderungen an die Prozesse zu erfüllen und regelmäßig Lösungen erarbeitet und liefert

Scrum liefert in sehr kurzen Zeiteinheiten Ergebnisse, die bewertbar sind und die man anpassen kann, um dann in den nächsten Prozess-Schritt zu gehen. Dieses Prozessmanagement ist vom Mindset her anders als die klassische Variante, weil es den Anspruch verfolgt, kurzfristig Lösungen zu liefern, die Prozesse erlebbar und spürbar zu machen für die Personen, die damit arbeiten.

Wenn im Prozessteam Leute interdisziplinär zusammenarbeiten, die sich in den Prozessgruppen gut auskennen, und man nicht immer wieder externe Personen reinholen muss, ist man mit dieser Methode auch sehr schnell, sehr transparent und so nahe wie möglich an der Realität.

Kanban

Kanban ist eine Umsetzung des unter den Synonymen "Hol-, Zuruf- oder Pull-Prinzip" bekannten Steuerungsverfahrens. Diese Methode fokussiert in unserem Zusammenhang speziell auf das Thema Kontinuierliche Prozess-Verbesserung, um noch effektiver und effizienter zu arbeiten.

Typisch ist dabei das sogenannte Kanban-Board, das den Fluss der Aufgaben im Prozessmanagement in einer Tabelle mit Karten darstellt, um die Aufgaben so schnell und so gut wie möglich zu verarbeiten. Das Kanban-Board zeigt den Bearbeitungsstand von Aufgaben, wie etwa „Zu tun”, „In Bearbeitung” oder „Abgeschlossen”. Mit der Visualisierung der Bearbeitungsschritte können Abhängigkeiten sichtbar gemacht, mögliche Engpässe erkannt und zu gelöst werden. Kanban schreibt dabei keine festen Rollen und auch keine festgelegten Zeiteinheiten vor.

Scrumban

Im Prozessmanagement bietet sich dieser Mix aus den beiden genannten Vorgehensmodellen besonders an. So können die vorab planbaren Aufgaben im Prozessmanagement iterativ abgearbeitet und gleichzeitig dringende Aufgaben kurzfristig berücksichtigt werden. Ein solches Scrumban-Setup kann auf unterschiedlichen organisatorischen Ebenen stattfinden – zB auch in der Top-Management-Ebene, um die Bearbeitung der Prozesse auf einer übergeordneten Ebene darstellen können. So werden die Arbeiten der Prozessteams transparent und übergeordente, strategische Entscheidungen fließen zielgerichtet und zeitnah zum Prozessteam. So können dann von groben Ansichten, einer Prozess-Landkarte bis hin zum einzelnen Teilprozess die Stufen der Aggregation gesteuert werden. In einem Scrumban-Setup kann man die Stärken aus beiden Welten, Scrum und Kanban, kombinieren und für die (Teil)-Organisation die passende Arbeitsweise finden.

Fazit: Die Vorteile agiler Arbeitsweisen

Mit diesen agilen Methoden und Techniken kann man der VUCA-Welt bestmöglich begegnen, weil man die konkreten Ziele nur für sehr kurze Zeiten setzt und sie adaptierbar lässt, um möglichst flexibel zu sein. Und wenn sich Prozessänderungen ergeben, dann hat ein Prozessteam die Möglichkeit, sehr schnell ein neues Thema aufzunehmen, zu einer Entscheidung zu kommen und eine Lösung anzubieten. Das lässt sich beim klassischen, starreren Prozessmanagement sehr oft schwer umsetzen.

 

6. Die Säulen im agilen Prozessmanagement – oder: So vermeiden Sie Fehler schon im Vorfeld

6.1 Vision entwickeln und kommunizieren
Aus der Praxis weiß ich, dass Prozesse oft „scheinbar unmotiviert“ optimiert werden sollen – und Beteiligte am Prozess nicht verstehen, warum hier eingegriffen werden soll, was das bringen und wohin das führen soll.

Es ist enorm wichtig, umfassend zu kommunizieren: WOZU soll agiles Prozessmanagement eingeführt werden und FÜR WEN beziehungsweise WOFÜR ist das hilfreich. Die Beteiligten müssen offen und ehrlich erfahren, wie sie betroffen sind und wobei man ihre Unterstützung benötigt.

Obwohl das ein bedeutender Schlüssel zum Erfolg ist, wird es oft vernachlässigt!

 

6.2 Selbstorganisation fördern – die Betroffenen zu Beteiligten machen

Man muss die Menschen, die von den Prozessen betroffen sind, fragen und beteiligen. Wenn man es schafft die betroffenen Personen intrinsisch zu motivieren, die Prozesse verbessern zu wollen, hat man entscheidende Aufgabe bewältigt! Mit dem nötigen Zutrauen und Vertrauen seitens der Führungskräfte, können darauf aufbauend selbstorganisierte und größtenteils eigenverantwortliche Prozessteams etabliert werden. Kontinuierliche Verbesserungen werden so rasch sichtbar und spürbar, führen zu motivierten Teams und entlasten die Führungskräfte gleichzeitig von kleinteiligen, operativen Arbeiten.

 

6.3 Prozesse objektiv analysieren, verstehen und priorisieren

Die Analyse erfolgt mit dem unter Punkt 3 angeführten Cynefin-Modell und ein besonderes Augenmerk liegt auf der Priorisierung der Prozesse. Insbesondere dann, wenn sehr viele Prozesse bearbeitet werden sollen, muss nach dem Top-down-Prinzip klar ersichtlich sein, was am wichtigsten und/oder dringendsten. Eine klare Regelung und Transparenz der Priorisierungsregeln hilft dabei.

 

6.4 Prozesse inkrementell und iterativ anpassen

Mit einem Scrum(ban)-Ansatz (siehe Punkt 5.4) wird in kleinen, zeitlich bestimmten Schritten vorgegangen: wenige Prozesse in kürzeren Zeiteinheiten anstatt schwerfälliger Monsterprozesse über einen langen Zeitraum. Der Erfolg passiert über die kleinen Schritte und nicht über die großen Würfe.

Das ist auch einer der Top-3-Fehler auf dem Weg, agiler zu werden: Dass man immer versucht, zu große Brötchen zu backen. Aber alles, was man in kleinere Teile aufteilen kann, ist leichter beherrschbar!

 

6.5 Fokus auf Nutzen! Vermeidung von Verschwendung!

Die Agilität im Mindset und in der Herangehensweise unter Berücksichtigung des Lean-Prinzips (siehe Punkt 2.2) macht den großen Unterschied: Es geht darum, den Fokus auf den Kunden / die Kundin zu richten und darauf, was der Organisation zusätzlichen Nutzen bringt. Darüber hinaus soll alles vermieden werden, was Zeit und Ressourcen verschwendet.

Das klingt zwar logisch und einfach, ist aber oft sehr schwierig, in der Realität umzusetzen, weil der Mensch wohl oft ein Gewohnheitstier ist: Die Beteiligten in den Prozessen sind oft schwer von alten Mustern weg zu bringen. Genau aus diesem Grund muss man von Beginn an ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man die Beteiligten braucht, um Prozesse zu verbessern. Und man muss ihnen die Notwendigkeit klar vor Augen führen, warum man das macht… Zum Beispiel, um konkurrenzfähig zu bleiben und in weiterer Folge erfolgreich zu sein und damit Arbeitsplätze zu sichern.

Es ist eine Tatsache, dass man alle Mitarbeiter*innen braucht, um die Organisation im Detailbereich zu verbessern. Jede(r) Einzelne ist wichtig!

 

6.6. Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse (KVP)

KVP darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern muss im agilen Prozessmanagement einen fixen Platz einnehmen. Dazu braucht es auch Menschen im Prozessteam, die in Abstimmung mit den Prozessbeteiligten Abläufe hinterfragen und weiter optimieren.

Dabei können regelmäßige Treffen, sogenannte „Reviews“ und „Retrospektiven“ dabei helfen. Der gemeinsame Rückblick auf das Erarbeitete, die Form der Zusammenarbeit decken mögliche Optimierungspotentiale auf und schaffen Raum für Maßnahmen zur weiteren Verbesserung.

In agilen Arbeitswelten interessiert man sich für die Abläufe und fragt kontinuierlich nach Verbesserungsmöglichkeiten. Hier können proaktive Mitarbeiter*innen Fehler aufzeigen und sie machen das freiwillig, von sich heraus – wenn das agile Mindset in der Unternehmenskultur angekommen ist!

Fazit: Das Beste von beiden Welten – je nach Situation

Durch die Klassifikation mithilfe des Cynfin-Modells lassen sich die Prozesse clustern und zuordnen: einfach und komplizierte Prozesse werden standardmäßig klassisch abgehandelt, während komplexe und chaotische Prozesse und alles Unklare agil angelegt wird.

Zumeist braucht es also beide Prozessmanagement-Ansätze in einer hybriden Form, welche mit dem notwendigen agilen Mindeset und der essentiellen Unterstützung durch die Managementebene, situativ auf die Bedürfnisse des Unternehmens eingehen kann. So wird das Prozessmanagement im Unternehmen verbessert und bietet die Basis für kundennahe und nutzenorientierte Prozesse, um in der VUCA-Welt bestehen zu können!

Zum Autor

Egon Hren
Partner und Senior Consultant, next level consulting