
Am 11. März 2025 verwandelte sich unser hybrides change:maker & work smarter Event in ein Labor für Prozesse. Mit Wasser-, Waffeln- und Gummibärchen-Experimenten deckten wir gemeinsam sowohl offensichtliche als auch versteckte Fallstricke vermeintlich effizienter Unternehmensabläufe auf.
Prozesse sind das unsichtbare Rückgrat erfolgreicher Unternehmen. Doch was passiert, wenn dieses Rückgrat Schwachstellen aufweist? Unsere Experten Armin Buchner und Gaston Saborowski nahmen die Teilnehmer:innen mit auf eine interaktive Reise durch die größten Verschwendungsarten, die in nahezu jedem Prozess lauern können.
Wenn Prozesse zur Herausforderung werden
Der Abend begann mit einem angeregten Austausch unter den Teilnehmer:innen. Die Beichte der eigenen Prozesssünden offenbarte ein vertrautes Muster:
- Prozesse, die zwar existieren, aber nicht eingehalten werden
- Die Prokrastinationsfalle: Prozesse, die nie das Licht der Welt erblicken, weil der Tatendrang fehlt
- Der Detailverliebtheit zum Opfer gefallene Abläufe
- Überkomplexe Prozesse, die an ihrer eigenen Kompliziertheit scheitern
- Die schmale Gratwanderung zwischen theoretischem Konzept und praktischer Umsetzung
Die 7 "Tod"-Sünden eines Prozesses im Überblick
- Nacharbeiten: Wenn Fehler zu mehr Arbeit führen
- Bewegung: Ineffiziente Wege und Abläufe, die Zeit und Energie kosten
- Transport: Informations- und Materialflüsse mit Risiken
- Bestand: Pufferung von Ressourcen
- Warten: Verzögerung durch Engpässe und Freigaben
- Überproduktion: Ressourcen fließen, ohne entsprechenden Nutzen zu generieren
- Überentwicklung: Zu viele Regelungen, welche die Akzeptanz gefährden
Ein Experiment als Spiegel unserer Prozesswelt
Was haben Waffeln, Gummibärchen und Getränke mit Prozessen zu tun? Mehr als man denkt! In einem unterhaltsamen Setting wurden die 7 „Tod“-Sünden anhand von Abläufen aus der Gastronomie zum Leben erweckt. Mit einer improvisierten Theke und mutigen Freiwilligen aus dem Publikum verwandelten unsere Experten abstrakte Prozessprobleme in greifbare Erlebnisse.
Prozess: Wasser servieren
Das „Wasserglas-Experiment" demonstrierte, wie perfektionistische Erwartungen und unrealistische Zeitvorgaben zu Fehlern und damit unweigerlich zu Nacharbeit führen. Ein Glas innerhalb einer Sekunde exakt zu füllen und fehlerfrei zu servieren? Was in der Theorie simpel klingt, scheitert in der Praxis an der Umsetzbarkeit.
Anschließend wurde auch die Balance zwischen sinnvoller Vorab-Produktion und Ressourcenverschwendung demonstriert. Zu viele gefüllte Gläser, die nicht verkauft werden konnten, machten die Problematik der Überproduktion deutlich. Hier einen sinnvollen Kompromiss zu finden, bleibt eine der größten Herausforderungen des Prozessmanagements.
Prozess: Waffeln verteilen
Das „Waffel-Experiment" offenbarte klassische Herausforderungen in Bewegungs- und Transportprozessen. Die Kommunikationskette brach zusammen, als Bestellungen weitergegeben und personalisiert werden sollten. Statt effizienter Abläufe entstanden Umwege und Missverständnisse. Solche Szenarien verschlingen in vielen Unternehmen täglich Zeit und Ressourcen. Außerdem erkannten die Teilnehmer:innen schnell, dass der Prozess zu viel Bewegung erforderte und schlugen alternative Lösungen vor, um die Effizienz zu steigern.
Prozess: Gummibärchen liefern
Im „Gummibärchen-Experiment" führten ein improvisiertes Call-Center, ungeduldige Kund:innen und ein Stammkunde mit Sonderrechten vor Augen, wie schnell ein Prozess seine Nachvollziehbarkeit verlieren kann. Der Stammkunde drängte sich vor, was den gesamten Prozess aus dem Gleichgewicht brachte. Wie oft werden in Unternehmen etablierte Prozesse für vermeintliche Ausnahmen über Bord geworfen, nur um am Ende mehr Chaos als Nutzen zu generieren?
Auch das ewige Spannungsfeld zwischen Wartezeit und Qualität wurde besonders greifbar, als der Laden um 18 Uhr schließen musste, während noch Kund:innen in der Schlange standen und schließlich leer ausgingen.
Am Ende schloss sich der Teufelskreis mit der Erkenntnis, dass nicht alles neu erfunden werden muss. Oft genügt es, bestehende Prozesse zu optimieren und klug mit vorhandenen Ressourcen umzugehen. Die Lösung liegt nicht unbedingt in neuen Tools oder komplexen Strukturen. Was letztendlich zählt, ist der Inhalt eines Prozesses.
Aus der Praxis für die Praxis: Wenn der eigene Prozess ins Stocken gerät
Ironischerweise bot unser Vortrag selbst eine unfreiwillige Lektion in Prozessmanagement. Der zeitliche Rahmen wurde gesprengt und nicht alle wesentlichen Erkenntnisse kamen so deutlich zum Ausdruck wie geplant. Ein Beweis dafür, dass selbst Prozessexpert:innen nicht vor den Tücken komplexer Abläufe gefeit sind und jeder Prozess kontinuierliche Optimierung benötigt.
Paradoxerweise unterstreicht gerade das eine zentrale Botschaft des Abends: Die Vereinbarkeit von Theorie und Praxis ist nicht so einfach, wie man glauben möchte. Und genau dieses Spannungsfeld macht Prozessmanagement zu einer so faszinierenden Herausforderung.
Das Fazit unserer Experten
Ein absolutes Vermeiden einer oder mehrerer der sieben Verschwendungsarten im Prozess ist weder möglich noch sinnvoll. Unsere Experten Armin Buchner und Gaston Saborowski betonten, dass Prozessoptimierung kein Wettlauf zur Perfektion sein darf. Die Verschwendungsarten sind miteinander verwoben. Wer eine Sünde aggressiv bekämpft, provoziert oft eine andere und riskiert die gefährlichste aller Sünden: die Überentwicklung des Prozesses, welche am Ende unweigerlich zum Akzeptanzverlust auf Seiten der Mitarbeiter:innen führt.
Erfolgreiches Prozessmanagement erfordert Zeit zum Nachdenken, Interaktion mit allen Beteiligten und den Mut zur Veränderung. Der Schlüssel liegt in der ausgewogenen Mischung aus strukturiertem Prozessmanagement und flexiblem Change Management.
Ihr Rat für einen guten, gelebten Prozess:
Gönnen Sie sich vertretbar ein paar Sünden. Betrachten Sie Ihre Prozesse aus verschiedenen Perspektiven wie Qualität, Kosten oder Branche. Definieren Sie klare Schwerpunkte und nehmen Sie die Mitarbeitenden bei jeder Anpassung mit. Denn sowohl Engel (Optimierung) als auch Teufel (Verschwendung) geben Ihrem Prozess seine Identität und legen damit eine der Grundlagen für den nachhaltigen Erfolg Ihres Prozessmanagements.