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20.04.2017 | News

Was OrganisationsentwicklerInnen vom Erzbistum Paderborn lernen können

„Berufung. Aufbruch. Zukunft“ – so lauten die Leitmotive des Zukunftsbilds für das Erzbistum Paderborn, das Erzbischof Hans-Josef Becker Ende 2014 in Kraft gesetzt hat. Die Erzdiözese möchte sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Damit das auch in der zentralen Verwaltung des Bistums geschieht, ist ein Organisationsentwicklungsprozess im Erzbischöflichen Generalvikariat begonnen worden, den next level consulting seit Anfang 2016 begleitet. Wir haben mit den Projektleitern Monsignore Dr. Michael Bredeck und Markus Freckmann gesprochen, was die wichtigsten „Lessons Learned“ seit Beginn des Prozesses sind.

 

 

Warum ist es für das Erzbistum Paderborn wichtig, sich weiterzuentwickeln?

Bredeck: Es gehört zum Wesen der Kirche, bei den Menschen zu sein. Das ist ein sehr großer Anspruch an eine Organisation, wenn es nicht bei schönen Worten bleiben soll. Denn: Es leben 4,8 Millionen Menschen auf dem Gebiet unseres Erzbistums, etwa 1,5 Millionen davon sind katholisch. Auch die übergroße Mehrzahl derer, die sonntags nicht zum Gottesdienst gehen, ist in gewissem Sinn unsere Zielgruppe, denn wir glauben ja, dass jeder Mensch etwas von Gott in sich trägt – in der Bibel heißt es, dass Gott die Menschen nach seinem Bild geschaffen hat. Das hat sich im Zukunftsbild niedergeschlagen, wo wir deutlich die Linie von Papst Franziskus aufgenommen haben, eine „Kirche im Aufbruch“ zu werden, nicht bei uns selbst zu verbleiben, sondern „an die Ränder zu gehen“. Es ist absolut nötig, neue Menschen für den Glauben an Gott anzusprechen.

Freckmann: Die Weiterentwicklung fällt nicht so leicht, weil die Kirche in Deutschland auch Träger einer verzweigten Infrastruktur ist. Im Erzbistum Paderborn haben mehr als 50.000 Menschen einen Arbeitsvertrag mit einem katholischen Anstellungsträger. Und diese Anstellungsträger sind in unserem Erzbistum 1.000 verschiedene rechtlich selbstständige Körperschaften, die ihre Entscheidungen eigenständig treffen. Eine „Konzernzentrale“ gibt es da nicht. Die Infrastruktur der katholischen Kirche ist also nicht so straff zentralistisch organisiert und organisierbar, wie das von außen vielleicht erscheinen mag.

 

Welche Rolle spielt der Organisationsentwicklungsprozess dabei?

Bredeck: Auch wenn das Generalvikariat längst nicht alle Ebenen und Entscheidungen im Erzbistum erreicht, prägt seine Arbeit doch das gesamte Erzbistum. Da die Nerven aufgrund der starken Transformationsprozesse auf vielen Ebenen blank liegen, da Ressourcen knapper werden, besonders beim Priesterpersonal, hat das, was im Generalvikariat geschieht, stets hohe symbolische Bedeutung und steht unter sehr genauer Beobachtung. Ein vergleichsweise unbedeutender Verwaltungsakt wird schnell als politisches Signal verstanden: Wenn nicht mal die direkten Mitarbeiter des Erzbischofs das Zukunftsbild ernst nehmen, dann ist es nicht ernst gemeint. Wir stehen also unter dem hohen Anspruch, mit der Verwaltungsbehörde Vorreiter bei Innovation und Aufbruch zu sein. Das hat zu der sehr bewussten Entscheidung für den Weg einer Organisationsentwicklung geführt mit dem Ziel: Wir wollen vom Verwalter zum Dienstleister an der „Kirche im Aufbruch“ werden. Und bisher funktioniert es sehr vielversprechend: Wir lernen in der Organisationsentwicklung der Behörde ganz viel, was uns auch in anderen Feldern der Kirche helfen kann. Zum Beispiel haben wird unser Zukunftsbild für das Erzbistum – ein Text mit mehr als 100 Seiten – in eine Strategiematrix für das Generalvikariat übersetzt.

 

Wie gehen Sie in der Organisationsentwicklung vor?

Bredeck: Mit Strukturveränderungen haben wir uns im Generalvikariat in der Vergangenheit immer wieder befasst, aber nicht immer zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Der Erzbischof hat dann 2014 das Zukunftsbild gesetzt und zu dessen Umsetzung das „Projekt Bistumsentwicklung“ mit 11 Teilprojekten beauftragt. Eins dieser Teilprojekte ist die Organisationsentwicklung für das Erzbischöfliche Generalvikariat. Wir hatten also den politisch dringenden Auftrag zur Veränderung – und in der Organisation gleichzeitig die Erfahrung, dass die bisherigen Veränderungsprojekte nicht funktioniert haben. Das erste Jahr war deshalb davon geprägt, auf der obersten Leitungsebene ein Verständnis zu erringen, wie wir eine Organisationsentwicklung aufstellen können, die den erneuten Anlauf auch lohnt. Für uns war das die Entscheidung für den Weg des Knotenlösens.

Freckmann: Gemeint ist damit, dass wir nicht zuerst den Kraftakt einer großen Reorganisation wollen, sondern die Veränderung über konkrete kleinere Themen angehen. Für diesen Weg haben wir dann unterschiedliche Unternehmensberatungen angefragt und uns für next level consulting entschieden. Seit einem Jahr sind wir jetzt auf diesem Weg der vielen kleinen Schritte unterwegs. Ideen für solche „Knoten“ sammeln wir auf einem mit next level consulting entwickelten „Knotenboard“. Die Beiträge dafür kommen aus unterschiedlichen Richtungen: aus einer Abfrage bei Verantwortlichen aus den Kirchengemeinden des Erzbistums; aus den Verwaltungsbereichen im Generalvikariat; aus Interviews mit repräsentativ ausgewählten Stakeholdern, die next level in unserem Auftrag geführt hat. „Knoten“ mit strategischer Bedeutung werden zur Bearbeitung an interdisziplinäre Teams beauftragt, die jeweils von einem next level-Berater bei der Lösungsentwicklung moderiert werden. Anspruch dabei ist es, innerhalb von 6 Monaten eine Lösung für den „Knoten“ zu entwickeln.

Bredeck: Auf diesem Weg mit vielen unterschiedlichen Beteiligten wollen wir in unserer Verwaltung die Kompetenzen und Prozesse dafür aufbauen, sich künftig schneller und kontinuierlich auf neue Anforderungen einstellen zu können. Denn darauf wird es vor allem ankommen, wenn wir Dienstleister für eine „Kirche im Aufbruch“ sein wollen: Dass wir auf vielfältige neue Anforderungen eingehen können – und nicht nur auf die, zu denen unsere Struktur und unsere bisherige Logik passt.

 

Was sind die drei zentralen Dinge, die Sie anderen Organisationen zu Beginn eines solchen Prozesses raten würden?

Bredeck: Bei uns gab es ganz viele und sehr unterschiedliche Vorstellungen von einer Organisationsentwicklung. Das hat Turbulenzen in der Startphase gebracht. Für uns hat es sich ausgezahlt, dass wir vor dem Start im Kreis der obersten Leitungsebene ein gemeinsames Bild vom zu gehenden Weg hatten. So konnten wir eine gut dazu passende Beratung auswählen und in den Unsicherheiten des Startes mit voller Unterstützung durch die Leitung voran schreiten. Allerdings gibt es auf dem Weg mit den vielen kleinen Schritten immer wieder auch Verunsicherung: Bei diesem Vorgehen bleibt das große Zielbild ja lange Zeit unklar oder scheint in zu ferner Zukunft. Wir haben mit dem Zukunftsbild für das Erzbistum eine Vision, mit der sich viele unserer Mitarbeitenden und Kunden positiv identifizieren. Das ist eine große Stärke für unsere Organisationsentwicklung.

Freckmann: Die next level consulting arbeitet stark mit Emotionalisierung. Das gibt den Prozessen bei uns einen Drive, der uns an einigen Stellen überrascht hat. Mein Tipp an andere Organisationen ist daher: Richten Sie sich darauf ein, dass Sie mutiger werden könnten, als Sie das von sich bisher gewohnt sind. Wenn man das vorher weiß, erschrickt man vielleicht nicht so leicht über die eigene Courage.

 

Welche drei „Fallen“ gilt es zu vermeiden?

Freckmann: Was wir in den Überlegungen zunächst nicht berücksichtigt haben, ist der Aufwand an zusätzlichen Terminen für die Leitungsebene, die unser Weg nötig macht. Als wir gestartet sind, waren die Terminkalender für das nächste Jahr schon voll. So waren wir in der Startphase in einer doppelten Störung: Bisherigen Abläufe wurden durch unser Projekt als „Knoten“ hinterfragt und das auch noch mit unerwarteten Ansprüchen an zusätzliche Termine für die Lösung.

Bredeck: Dann gibt es ähnliche Empfindungen wie in den Pfarreien vor Ort: Manche Mitarbeitenden im Generalvikariat empfinden nur dadurch, dass überhaupt Entwicklung geschieht, ihre bisherige Arbeit als nicht mehr gewünscht, fühlen sich nicht wertgeschätzt und das muss immer bei allen Schritten mitbedacht werden. Die Falle besteht also darin, die emotionalen Sperren der Mitarbeitenden zu unterschätzen, die sich letztlich negativ auswirken können. Und ein drittes ist der gesamte Bereich der externen und internen Kommunikation. Es fragen viele, was denn eigentlich geschieht, sie bekämen nichts mit. Da gibt es sicher noch einen Nachholbedarf, wenngleich wir gerade im ersten Jahr ja auch vor allem eine interne Verständigung hatten, die nach außen nur schwer zu kommunizieren war. Insgesamt braucht es bei den Verantwortlichen ein hohes Maß an ständiger Reflexion des Prozesses und das, was wir als Resonanzgruppen auf mehreren Ebenen aufgelegt haben: also Personen, die den gesamten Entwicklungsprozess mit den Verantwortlichen kontinuierlich reflektieren und verschiedene Perspektiven einbringen können.

 

Monsignore Dr. Michael Bredeck (47) ist Leiter des Projektes Bistumsentwicklung im Erzbischöflichen Generalvikariat und Domvikar. Nach seiner Priesterweihe 1996 war er in Kirchengemeinden in Dortmund und Schwerte eingesetzt. Bis 2005 arbeitete er zusätzlich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn, wo er 2006 zum Doktor der Theologie promovierte. Von 2005 bis 2014 war er Mitarbeiter der Priesterfortbildung im Erzbistum Paderborn, von 2006 bis 2009 auch Leiter der Diözesanstelle Berufungspastoral und des päpstlichen Werkes für geistliche Berufe im Erzbistum Paderborn. Im März 2009 übertrug ihm der Erzbischof die Geschäftsführung der neu errichteten „Lenkungsgruppe Perspektive 2014“. 2011 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore). Seit der Veröffentlichung des Zukunftsbildes im Oktober 2014 leitet er das Projekt Bistumsentwicklung im Erzbistum Paderborn.

 

Markus Freckmann (41) ist Projektreferent Bistumsentwicklung im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. Seine Berufslaufbahn hat er als Redakteur bei einer regionalen Tageszeitung begonnen. Im Generalvikariat begonnen hat er als Redakteur in der Pressestelle, hat danach als Qualitätsentwickler in der Erwachsenenbildung, in der Personalentwicklung und als Projektleiter für prozessorientierte Verwaltungsmodernisierung gearbeitet.

 

 

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